Assistierte Fortpflanzungshilfen beinhalten alle reproduktionsmedizinischen Interventionen wie hormonelle, ovarielle Stimulation, Intrauterine Insemination (IUI), In Vitro Fertilisierung (IVF), Intrazytoplasmische Spermien Injektion (ICSI) und den Transfer von kryokonservierten Embryonen. Dagegen wird der Begriff Assisted Reproductive Technologies (ART) nur für Interventionen mit Embryotransfer (ART-ET) verwendet. Diese Unterscheidung ist deshalb bedeutend, weil bei ART-ET die Anzahl der transferierten Embryonen selbst gewählt werden kann und damit eine Vermeidung (Reduktion) von Mehrlingsschwangerschaften möglich ist. Eine entsprechende, aktualisierte Empfehlung dazu haben die Gesellschaften unlängst in Absprache mit den Geburtshelfern publiziert (JRME und Spekulum 2011). Bei Stimulationsbehandlungen für Verkehr zum Optimum (VZO) oder IUI können Mehrlingsschwangerschaft nicht mehr verhindert werden, sobald mehr als zwei Follikel herangereift sind und die Befruchtung aller entstandenen Oozyten möglich ist. Obwohl in Österreich derzeit noch keine gesicherten Daten zur Mehrlings-Häufigkeit nach Stimulationsbehandlungen (mit und ohne IUI) existieren, muss davon ausgegangen werden, dass ein nicht unbedeutender Anteil dadurch verursacht wird. Dies gilt vor allem auch für höhergradige Mehrlings-Schwangerschaften (Fünflinge in Wien, März 2011), die mit hoher Publizität zu einer Verschlechterung der Reputation der Reproduktionsmedizin Anlass geben. Neben Bestrebungen zu dieser Problematik die Fakten genauer zu erfassen, sehen wir es als unsere Aufgabe, all jenen, die Stimulationstherapien durchführen, eine Anleitung zur Hand zu geben, wie diese lege artis durchgeführt und kontrolliert werden muss, um Mehrlings-Schwangerschaften zu vermeiden.
Indikationen für monofollikuläre Stimulationstherapien sind Anovulation, primäre und sekundäre Sterilität und andrologische Subfertilität.
Das Ziel jeder Stimulation für VZO und IUI ist die Reifung von einem, maximal 2 Follikeln. Bei 2 Follikeln gilt die dringende Empfehlung von spontanem Geschlechtsverkehr (GV) bzw. von einer IUI Abstand zu nehmen. Vom betroffenen Paar sollte eine Bestätigung unterschrieben werden, dass eine Aufklärung über die möglichen Konsequenzen erfolgt ist. Monofollikuläre Stimulationen können mit Antiöstrogenen, z.B. Clomiphencitrat, Gonadotropinen (HMG, FSH) oder in besonderen Fällen mit pulsatiler GnRH-Therapie durchgeführt werden. Dabei sollten primär möglichst niedrige Hormon-Dosen verwendet werden. Ein besonderes Risiko für multifollikuläre Entwicklung besteht bei Patientinnen mit PCO-Syndrom und erhöhtem AMH-Wert. Als Richtwert kann ein AMH-Wert von 5µg/l angesehen werden. Die entsprechende Diagnostik ist vor Beginn der Stimulation durchzuführen. Clomiphen: Initialdosis 50mg, bei fehlendem Ansprechen Steigerung auf 100 oder 150mg möglich, Beginn am 2-5. Zyklustag für 5 Tage. Gonadotropine (HMG, FSH): 37,5-50 IE ab 2. - 3. ZT, Dosissteigerung je nach ovarieller Antwort (frühestens nach 7 Tagen) möglich (in der Regel Steigerung um 50 %), ggf. zusätzliche Blockade der hypophysären Gonadotropinsekretion mit GnRH-Antagonisten oder Agonisten. Pulsatile GnRH-Therapie: Bei Gestagen-negativen Patientinnen kann mit einer Dosis von 10-20 µg/Puls begonnen werden. Ein Ultraschall (US)-Monitoring ist bei jeder Art von Stimulation obligat. Der 1. US sollte zwischen 6. und 8. ZT erfolgen, anschließend, je nach Follikel-Durchmesser alle 2-3 Tage bis zu einem Leitfollikel von 17 - 20mm. Vor Ovulationsinduktion (5000-10000 IE HCG) ist eine US-Bild-Dokumentation beider Ovarien anzuraten. (Rechtliche Absicherung bei Mehrlings-Schwangerschaft!). Im Bedarfsfall sollten zusätzliche Östradiol-Bestimmungen erfolgen. VZO und IUI werden ca. 24 - 36 Stunden nach HCG-Gabe empfohlen. Rescue-IVF Bei überschießender Follikelentwicklung (ab 3 Follikel) muss ein GV-Verbot (siehe oben) dringend angeraten und auf die Möglichkeit eines Rescue IVF hingewiesen werden und die Zuweisung an ein IVF-Institut erfolgen. Bei Vorliegen einer Fonds-Indikation, z.B. PCO-Syndrom, sollte die Abrechnung der Behandlung über den IVF-Fonds ermöglicht werden. Liegt keine Fonds-Indikation vor, muss die Behandlung privat abgerechnet werden. Nach Follikel-Punktion und Transfer von 1-2 Embryonen wie bei herkömmlicher IVF, können überzählige Embryonen kryokonserviert und für weitere Versuche verwendet werden. Wer sollte Stimulationsbehandlungen in der Praxis durchführen? Für Stimulationsbehandlungen ist eine entsprechende Ausbildung erforderlich. Diese kann an Krankenhäusern/Kliniken mit Endokrinologisch-Reproduktionsmedizinischen Abteilungen erworben werden. Mindestforderung sollte jedenfalls eine gezielte Fortbildung auf diesem Gebiet mit dem Besuch einschlägiger Kursen und Seminare sein. Derzeit ist ein Spezialsierungsprogramm eingereicht, welches nach Abschluss der Facharztausbildung die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Der Vorstellung, zunächst eine hohe Zahl von Mehrlingen im Uterus einer Frau entstehen zu lassen, und diese dann durch gezielte Tötung einzelner Embryonen (sog. fetale Reduktion) auf Einlings- oder Zwillingsschwangerschaft zu reduzieren, ist entschieden entgegenzutreten. Dies kann immer nur eine extreme Notlösung sein. Ärzte/Innen die sich Ihrer Verantwortung bei Durchführung einer Stimulationstherapie nicht bewusst sind und gehäuft Mehrlings-Schwangerschaften induzieren werden in Zukunft auch mit einer Überprüfung durch ein Gremium aus den Fach-Gesellschaften rechnen müssen.
ÖGRM NEWS:
Experten-Empfehlung zur hormonellen (monofollikulären) Stimulationsbehandlung
veröffentlicht am 2018-08-28 09:55:33
Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie (D. Spitzer), Österreichische IVF Gesellschaft (G. Freude), Österreichischen Gesellschaft für Sterilität, Fertilität und Endokrinologie (W. Urdl), AG Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der OEGGG (L. Wildt)